Vom Duftmolekül zum Geruch

Die menschlichen Riechzellen haben 350 verschiedene Rezeptortypen, die willkürlich auf der gesamten Riechschleimhaut verteilt sind. Jeder der Rezeptoren spricht nur auf ein ganz bestimmtes Duftmolekül (Odorant) an. Dockt ein Duftmolekül an seinen spezifischen Rezeptor an, bringt das in der zugehörigen Riechzelle eine Reaktionskaskade in Gang: Durch die Bindung kommt es zur Bildung eines elektrischen Signals, Aktionspotenzial genannt. Es wird im Verbund mit zahllosen anderen Aktionspotenzialen entlang der Nervenzell-Fortsätze (Axone) der Riechzellen zum Bulbus olfactorius (Riechkolben) weitergeleitet. Hier sortieren zwischen 1.000 und 2.000 Zellknäuel (Glomeruli) die Aktionspotenziale nach ihrer Herkunft. Denn in jedem der vielen Glomeruli enden jeweils nur die Axone von Riechzellen mit den gleichen Rezeptortypen. Damit können die Signale von denselben Düften zusammen genommen und miteinander auf eine Nervenzelle der Riechbahn übertragen werden. Auf diese Weise gebündelt gelangen die Aktionspotentiale in das Großhirn und zur so genannten Riechrinde. Dieses „Wahrnehmungszentrum" setzt sie zu einem Geruch zusammen, der schließlich in unser Bewusstsein gelangt.

Nun bestehen Gerüche aus vielen verschiedenen Odorantien - der Duft von frisch gemahlenem Kaffee beispielsweise aus über 650. Das erklärt, weshalb bei jeder Geruchswahrnehmung zahlreiche Riechzellen zugleich aktiviert werden und elektrische Signale bilden. Jeder Geruch führt also zu ganz charakteristischen Nervenreaktionen. Kombiniert man die Aktionspotenziale der 350 unterschiedlichen Rezeptortypen, kommt man auf die beachtliche Zahl von etwa 10.000 Gerüchen, die wir unterscheiden können.

Vomeronasales Organ: das „sexte Sinnesorgan"

Im unteren vorderen Teil der Nasenscheidewand, etwa 1,5 cm entfernt von den Nasenlöchern, zeigt sich beim Blick durch das Mikroskop ein dünner, blind endender Schlauch: das so genannte vomeronasale Organ, kurz VNO. Seine Aufgabe ist es, Sexualduftstoffe, die Pheromone zu empfangen. Wie elektronenmikroskopische Untersuchungen der Nasenschleimhaut gezeigt haben, werden die empfangenen Pheromone über direkte Nervenverbindungen in das Gehirn zum Hypothalamus und zum limbischen System weitergeleitet. Dort angekommen, werden die erotisierenden Impulse verarbeitet und die sexuelle Aktivität angeregt.

Pheromone

Wie zahlreiche andere Tiere versendet auch der Mensch chemische Signalstoffe, die so genannten Pheromone. Sie dienen als sexuelle Lockstoffe und werden von der Pubertät an über den Schweiß, allen voran aus Achselhöhlen und Genitalbereich, freigesetzt. Die Signalstoffe lösen unterschiedliche vegetative, nervliche sowie hormonelle Reaktionen aus - ohne dass der Reiz bewusst wird.

Über 50 Pheromone wurden bislang beim Menschen entdeckt. Unter anderem die Kopuline im Sekret der Vagina und die Androstenone im männlichen Schweiß. Kopuline erregen die männliche Libido, Androstenone hingegen fördern die weibliche Bereitschaft zum Sex: Auf damit besprühte Stühle eines Wartezimmers setzten sich in einer Studie signifikant mehr Frauen als Männer. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Androstenone bei Frauen die Stimmungslage bessern und die körperliche Erregung steigern.

Zu den Pheromonen gehören auch der Testosteron-Abkömmling AND sowie das Steroid EST, das Ähnlichkeit zum Östrogen besitzt. Ersteres wurde unter anderem im Schweiß von Männern nachgewiesen, letzteres im Urin von Frauen. Wissenschaftler vom Karolinska Institut in Stockholm konnten zeigen, dass die beiden Stoffe so etwas wie eine "Kennung" für mögliche Sexualpartner darstellen: Riechen Frauen an AND, führt das zur Aktivierung des vorderen (anterioren) Hypothalamus, der unter anderem die sexuelle Aktivität steuert. Hält man Frauen hingegen EST unter die Nase, schweigen die Nervenzellen im Hypothalamus. Bei Männern ist es genau umgekehrt: Sie sprechen auf EST an, nicht aber auf AND.