26.12.2020
Schwerhörigkeit: Erste Anzeichen ernstnehmen
Beim Gespräch muss man sich sehr konzentrieren, das Folgen von Unterhaltungen mit mehreren Personen fällt schwer, der Fernseher wird immer lauter - dies alles können erste Warnsignale für eine abnehmende Hörleistung sein.
Eine auffällige Hörminderung setzt häufig schon um das 50. Lebensjahr ein. Müssen Sie in Gesprächen, gerade mit mehreren Personen oder bei Hintergrundgeräuschen, öfter nachfragen? Oder reagieren Sie nicht sofort, wenn Sie von der Seite angesprochen werden? Solche Hörprobleme sollten Sie ernst nehmen: Ursache könnte eine natürliche altersbedingte Abnahme des Hörvermögens sein. Schämen muss man sich dafür ganz sicher nicht, aber dennoch blenden viele Betroffene dies aus, suchen nicht den Weg zum HNO-Arzt - und nehmen gravierende Folgen in Kauf.
Dabei erlebt irgendwann jeder eine Form der Höreinschränkung im Alter. Manchmal geht es schon mit 40 los, manchmal erst mit 60 bis 65 Jahren. "Es gibt sicher niemanden, der mit 90 Jahren noch normal hört", sagt Prof. Dr. Christian Betz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Denn die Lebensdauer der Innenohrhaarzellen ist begrenzt, wenn auch individuell unterschiedlich, sie können sich nicht mehr regenerieren. Eine Prävention gegen diesen altersbedingten Abbau gibt es nicht.
Geräusche unterscheiden wird schwieriger und strengt an
Der Hörverlust passiert schleichend. "Es ist nicht so, dass man plötzlich nichts mehr hört oder bestimmte Geräusche nicht mehr da sind", erklärt Prof. Betz. Es wird nur schwieriger, diese voneinander zu unterscheiden oder einzelnen Schallquellen zuzuordnen. So kann man zum Beispiel in einer Gruppe nicht mehr so gut den Worten einer einzelnen Person folgen. "Die höheren Töne werden anders als die niedrigen schlechter verstanden. Dadurch können die Obertöne in der Sprache nicht mehr gut differenziert werden, die örtliche Zuordnung der Schallquellen wird schwieriger", erläutert Prof. Betz weiter. Das (Zu)Hören wird zum Kraftakt: Gespräche in Gruppen empfinden Betroffene häufig als anstrengend und ermüdend.
Die eingeschränkte Hörleistung äußert sich auch im Haushalt - der Lautstärke-Pegel für Fernseher und Radio ist deutlich höher als früher. Riskant wird es, wenn akustische Warnsignale wie zum Beispiel im Straßenverkehr nicht mehr wahrgenommen werden oder sich Menschen wegen ihres Gehörs isolieren und zurückziehen.
Frühes Handeln ist gefragt
Dann gilt es zu handeln, denn bei einer rechtzeitigen Hörgeräteversorgung kann das Fortschreiten der Hörminderung verhindert bzw. reduziert werden. Ohne Hilfe dagegen verschlechtert sich das Hören weiter. Soziale Isolation und Depressionen sind mögliche Folgen. Auch die kognitiven Fähigkeiten könnten abbauen.
Trotzdem weigern sich viele, Hilfe anzunehmen. Da bei einer Altersschwerhörigkeit meist beide Ohren betroffen sind, lernen die Betroffenen z.B. instinktiv, von den Lippen abzulesen - ohne dies selbst zu realisieren. "Weil es ein schleichender Prozess ist, ist die Dunkelziffer an nicht adäquat versorgten Menschen sehr hoch", warnt Prof. Betz. "Nur etwa 20 Prozent der Hörgeschädigten, die von einer Hörhilfe profitieren könnten, tragen eine solche."
Werden Betroffene vom Partner, von Angehörigen, Kollegen oder Freunden darauf angesprochen, spielen viele ihre Symptome herunter. "Sie wollen sich nicht eingestehen, dass sie an einer körperlichen Behinderung leiden - und nichts anderes ist ein Hörverlust", meint Prof. Betz.
HNO-Arzt muss Ursache ermitteln
Ähnlich wie bei Ohrgeräuschen (Tinnitus), Infektionen, die das Ohr betreffen (z.B. eine Mittelohrentzündung), oder einem Hörsturz ist bei einer Hörminderung der HNO-Arzt der erste Ansprechpartner. Bestätigt er nach verschiedenen Hörtests und der Ausschlussdiagnostik anderer Erkrankungen eine altersbedingte Hörminderung, so wird er vermutlich ein Hörgerät empfehlen und
dem Patienten die nächsten Schritte erklären. Die heutigen Hörgeräte sind kaum sichtbar und so modern, dass sie teilweise auch via Bluetooth kabellos mit der Stereoanlage, dem Fernseher oder dem Telefon verbunden werden können.
Hörgeräte brauchen Gewöhnungszeit
Trotzdem wird ein solches Gerät von manchen noch als ästhetisch inakzeptabel und als Stigma empfunden - von Betroffenen ebenso wie von der Außenwelt. Auch die Handhabbarkeit ist für Ältere ein Problem. Denn der Betroffene hört damit nicht ad hoc so wie früher. "Das ist ein Lernprozess über mehrere Monate", betont Prof. Betz. "Das Gehirn hat sich daran gewöhnt, die hohen Töne nicht mehr zu hören. Wenn jetzt die Hörhilfe die hohen Töne wieder verstärkt, empfindet das das Hirn als störend." Man muss sich also auf ein Hörtraining einlassen und die Hörhilfe jeden Tag tragen, obwohl sie vielleicht erstmal als unangenehm empfunden wird. Nach dieser Eingewöhnungszeit wird die Geduld mit einem neuen Hörbewusstsein und Hörerlebnis belohnt.
äin-red
Quelle: dpa