22.10.2021

Altersbedingte Hörprobleme frühzeitig behandeln – Schwerhörigkeit rückt bei Tinnitus in den Fokus

Tinnitus und Schwerhörigkeit hängen eng zusammen. Eine rechtzeitige Hörgeräteversorgung kann psychischen Belastungen und einer negativen Beeinflussung der Lebensqualität vorbeugen.

Tinnitus und Schwerhörigkeit sind eng miteinander verbunden. Für ältere Menschen sei es aus diesem Grund besonders wichtig, Hörprobleme aktiv anzugehen und so psychischen Belastungen und einer negativen Beeinflussung ihrer Lebensqualität vorzubeugen, erklärt die Direktorin des Tinnituszentrums der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Birgit Mazurek. Wie Studienergebnisse zeigen, wirke sich das Tragen von Hörgeräten positiv auf die Psyche und die geistige Leistungsfähigkeit der Betroffenen aus.

Den Zusammenhang zwischen einem verminderten Hörvermögen und Ohrgeräuschen schildert Prof. Dr. Mazurek wie folgt: „Tinnitus geht sehr häufig mit Schwerhörigkeit einher. Besonders mit dem Alter nimmt bei vielen Menschen auch die Hörfähigkeit ab.“ Diese Rückbildung könne weitreichende Folgen haben: „Haarzellen und neuronale Strukturen im Innenohr können degenerieren, bei manchen Menschen wird die aktuelle, zentrale Verarbeitung von Informationen im Gehirn langsamer. Man spricht von einer Minderung der fluiden Intelligenz.“

Zudem könne sich die Fähigkeit der sogenannten Sprachdiskrimination mit zunehmendem Alter verringern: „Dann werden höhere Frequenzen und Stimmen nicht mehr so gut erkannt beziehungsweise unterschieden“, so die Klinikprofessorin. Mit einem verbreiteten Vorurteil müsse zudem aufgeräumt werden: „Viele Menschen werden als kognitiv beeinträchtigt wahrgenommen, obwohl sie eigentlich ‚nur‘ schwerhörig sind“, unterstreicht Prof. Dr. Mazurek.

Die körperlichen Folgen einer unbehandelten Schwerhörigkeit seien mittlerweile gut erforscht, berichtet die HNO-Ärztin weiter: „In einer prospektiven Multicenterstudie wurden 2.190 ältere Personen mit Hörverlust über ein Jahr lang untersucht. Das Ergebnis: Je größer der Hörverlust, desto geringer die physische Fitness. Schwerhörige hatten ein um 31 Prozent erhöhtes Risiko zu stürzen sowie eine um 31 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden.“

Die Betroffenen leiden außerdem unter psychischen Belastungen: „Das menschliche Hörsystem ist direkt mit dem limbischen System im Gehirn verbunden, das die Empfindungen und Emotionen steuert. Tinnitus kann sowohl alleine als auch in Kombination mit schlechtem Hören zu Angst und Depressionen führen“, berichtet
Prof. Dr. Mazurek. In Kombination mit weiteren Risikofaktoren könne sich der Zustand zudem noch verschlechtern: „Besonders Stress spielt eine große Rolle und kann sich negativ auswirken.“ Um die Begleiterkrankungen einer Schwerhörigkeit zu vermeiden, sei eine frühzeitige HNO-ärztliche Versorgung ratsam: „Für ältere Menschen ist es besonders wichtig, Hörprobleme aktiv anzugehen und so psychischen Belastungen und einer negativen Beeinflussung ihrer Lebensqualität vorzubeugen.“

Der positive Effekt eine Hörgeräteversorgung sei wissenschaftlich belegt: „In einer gerontologischen Kohortenstudie mit 3.670 älteren Hörbeeinträchtigten wurden Stimmungsänderungen und kognitive Funktionen untersucht: Bei allen hatten sich durch das Tragen von Hörgeräten sowohl die psychosozialen und partizipativ-kommunikativen als auch die kognitiven Funktionen verbessert. Soziale Abgrenzung, Depressionen und Ängste können so verhindert werden“, berichtet die Tinnitusexpertin.

Tinnituspatienten können nach einer Hörgeräteversorgung mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen weiterbehandelt werden: „Neben der apparativ-rehabilitativen Therapie unterstützt eine psychosomatische Behandlung im Rahmen einer multimodalen Therapie die Betroffenen, den Tinnitus im Alltag weniger wahrzunehmen und mit Hörbeeinträchtigungen besser umzugehen.“

Das Thema Tinnitus wird bei der 54. Fortbildungsveranstaltung für Hals-Nasen-Ohrenärzte, vom 28. bis 30. Oktober 2021, im Congress Center Rosengarten in Mannheim, diskutiert. Der Kongress steht in diesem Jahr unter dem Leitthema „Immunologie in der HNO-Medizin". Das wissenschaftliche Programm umfasst mehr als 70 einzelne Programmpunkte, darunter Vorträge, Falldiskussionen, Rundtischgespräche, Pro und Contra-Sessions, Kurse und Symposien mit über 100 Referentinnen und Referenten. Bei der angeschlossenen Industrieausstellung präsentieren sich mehr als 120 Firmen aus den Bereichen Medizintechnik, Pharmazie und Praxisbedarf. Damit zählt die Veranstaltung zu den größten Fachkongressen in der HNO-Heilkunde. Mehr Informationen unter www.fg-hno-aerzte.de.

Pressemitteilung des Dt. Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte