22.10.2017

Weltag des Stotterns: Stotternde sagen es auf ihre Weise

Erstmals werben Stotternde bundesweit mit einem Spot um Verständnis und Akzeptanz. Am 22. Oktober, dem Welttag des Stotterns, wird an allen deutschen Bahnhöfen mit so genannten „Station Video“-Monitoren ein 10-sekündiger Spot der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. (BVSS) zu sehen sein. Er greift gängige Vorurteile über stotternde Menschen positiv auf und sendet zugleich die selbstbewusste Botschaft: Ich sag's auf meine Weise...

Stottern ist nicht selten, allein in Deutschland sind mehr als 800.000 Menschen betroffen. Obwohl die Redeflussstörung sich individuell sehr unterschiedlich äußert, erleben stotternde Menschen überwiegend die gleichen Schwierigkeiten im Alltag, sie werden verhöhnt oder ausgegrenzt und nicht selten in Schule und Beruf benachteiligt. Schuld daran sind meist uralte Vorurteile. „Man kann aber niemandem ansehen, ob er stottert oder nicht und auch Rückschlüsse auf Intelligenz, Herkunft und Persönlichkeitsstruktur sind nicht möglich“, so erklärt Prof. Dr. Martin Sommer, Vorsitzender der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe auch das Hauptmotiv des Werbespots, der die Zuschauer zu einem kleinen Quiz auffordert. Zu sehen sind dabei sechs ganz unterschiedliche Menschen. Welcher von ihnen stottert wohl? 

Stottern ist einfach eine Störung des Sprechablaufs. „Das Zusammenspiel von rechter und linker Gehirnhälfte funktioniert im Moment des Sprechens bei stotternden Menschen anders als bei flüssig sprechenden“, stellt der Göttinger Neurologe Sommer klar, der selbst seit seiner Kindheit stottert. Eine möglichst positive Einstellung der Betroffenen gegenüber ihrem Handicap kann den Umgang und das Leben mit Stottern jedoch günstig beeinflussen, denn „Offenheit nimmt sowohl den eigenen Ängsten als auch den Vorurteilen der Gesellschaft den Wind aus den Segeln“, ist Martin Sommer überzeugt. Die Selbsthilfebewegung stotternder Menschen appelliert deshalb zum Welttag mit dem Ausspruch „Ich sag’s auf meine Weise“ an das gesunde Selbstvertrauen stotternder Menschen sowie auch an mehr Akzeptanzbereitschaft für das „Anderssein“ innerhalb der Gesellschaft. 

Nicht sichtbar bleibt allerdings auch der Leidensdruck, dem Betroffene ausgesetzt sind. Stotternde wissen genau was sie sagen möchten. Einen Sekundenbruchteil vorher wissen sie oft sogar, welches Wort gleich nicht flüssig über ihre Lippen kommen wird. So bestellt dann jemand beim Bäcker statt zwei Brötchen fünf, weil er bei „zwei“ auf jeden Fall stottern würde. Negative Erfahrungen mit Mitmenschen sind der Grund für ein solches Vermeidungsverhalten. Was aber zunächst wie eine clevere Strategie erscheint um fließend durch den Tag zu kommen, bedeutet in Wirklichkeit eine dauerhafte Anspannung und Anstrengung für stotternde Menschen. Die Spätfolgen davon reichen bis hin zu Sozialphobien und totalem gesellschaftlichen Rückzug. Dabei muss Stottern keine Sackgasse sein, denn es lässt sich mit einer qualifizierten Stottertherapie in jedem Alter gut behandeln. Auch wenn nach der Pubertät eine klassische Heilung eher unwahrscheinlich ist, kann der Redefluss so verändert und erleichtert werden, dass es keine wesentlichen Beeinträchtigungen im Gespräch mehr gibt.  

Der Welttag des Stotterns wird seit 1998 jeweils am 22. Oktober begangen und wurde von den weltweiten Verbänden der Betroffenen, Angehörigen und Fachleute ausgerufen. Selbsthilfegruppen, Therapieeinrichtungen und Einzelpersonen machen an diesem Tag gezielt auf die Bedürfnisse stotternder Menschen aufmerksam und tragen durch öffentliche Aktionen sowie persönliche Statements zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Stotternden bei. Das vom StottererWeltverband ISA ausgerufene Welttagsmotto 2017 lautet: A world that understands stuttering. 
 
Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. (BVSS) ist die Interessenvertretung stotternder Menschen in Deutschland, gegründet in 1979. Zu ihr gehören sieben Landesverbände und rund 90 Selbsthilfegruppen. Als gemeinnütziger Verein, der zum Erhalt seiner Angebote auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen ist, betreibt die BVSS die einzige bundesweit tätige unabhängige Informations- und Beratungsstelle zum Thema Stottern. Jährlich wenden sich Tausende Ratsuchende und Interessierte mit Fragen zu Therapie, Selbsthilfe, Schule, Beruf und vielem mehr an die zentrale Anlaufstelle des Vereins in Köln.

Pressemitteilung der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V.

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